In einem steirischen Tunnel auf der S 35 Brucker Schnellstraße haben ASFINAG und die steirische Forschungsgesellschaft Joanneum Research ein weltweit einzigartiges Tunnelsicherheits-System getestet und zur Serienreife entwickelt. „AKUT“ (es steht für akustisches Tunnelmonitoring) nennt sich das aus „lernfähiger“ Software und spezieller Hardware, insbesondere Spezial-Mikrofonen, bestehende System, das zu einem seltsam klingenden Ergebnis führt: Der Tunnel hat dadurch „Ohren“. Mit dem Abschluss eines Rahmenvertrages zwischen ASFINAG und Joanneum Research wird „AKUT“ jetzt in 32 Tunnelanlagen in Österreich eingebaut.
So funktioniert die akustische Unfallerkennung
Im 2,7 Kilometer langen Kirchdorftunnel auf der S 35 Brucker Schnellstraße wurden 49 Mikrofone unmittelbar neben den Videokameras im Abstand von maximal 125 Metern montiert. Alle Geräusche, die üblicherweise durch den Verkehr verursacht werden, landeten in einer speziellen Datenbank. Die lernende Analyse-Software dahinter erkennt somit typische „normale“ Geräusche und reagiert mit einem Alarm auf untypische Geräusche, wie zum Beispiel jenen bei Vollbremsungen, bei Reifenplatzern oder dem Zusammenprall zweier Fahrzeuge. Das international einzigartige System ist in die rund um die Uhr besetzte Überwachungszentrale der ASFINAG in Bruck an der Mur eingebunden. Bei einem ausgelösten Alarm wird dort sofort die richtige Videokamera aktiviert.
Die Vorteile:
- Unfälle können mit diesen „Ohren“ früher erkannt werden, eine schnellere Reaktion ist also möglich. Die Akustik erkennt Ereignisse schneller als eine Videoanlage, im Testbetrieb um bis zu 2,5 Minuten.
- Die Akustik ist auch bei vollständig verrauchten Tunnelanlagen wirksam.
- Man kann Personen lokalisieren, die am Videobild nicht ersichtlich sind (Schreie etc.)
Top-Forschung aus Österreich für Österreich
„Die Erfahrungen des bisherigen Einsatzes haben gezeigt, dass Unfälle immer zuerst durch dieses akustische Tunnelmonitoring erkannt wurden, der Zeitvorteil dabei hat zwischen knapp einer und etwas mehr als zwei Minuten betragen“, erläutert ASFINAG-Vorstand Alois Schedl. Und zwei Minuten sind im Ernstfall eine Zeitspanne, die lebensrettend sein kann.
Wolfgang Pribyl, Geschäftsführer von Joanneum Research: „Das akustische Tunnelmonitoring AKUT ist für uns ein hervorragendes Beispiel für erfolgreiches Innovationsmanagement im Hause Joanneum Research, das alle Prämissen von der Entwicklung bis zur Produkteinführung erfüllt hat. Dass wir nun gemeinsam mit der ASFINAG ein Produkt präsentieren können, das für höhere Sicherheit im Verkehr sorgt, freut mich sehr."
„Es freut mich sehr, dass eine Innovation eines der zentralen Playern des Hochtechnologielandes Steiermark zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr beitragen wird. Ich bedanke mich bei der ASFINAG für die Innovationspartnerschaft und hoffe, dass wir in den kommenden Jahren Österreich lückenlos mit dem wegweisenden AKUT-System ausstatten können und darüber hinausgehend Technologie aus der Steiermark exportieren können“, so Christopher Drexler, steirischer Landesrat für Wissenschaft und Forschung.
Mehr Sicherheit in ASFINAG-Tunnelanlagen
Ein weiterer Vorteil besteht auch darin, dass im Falle eines Brandes im eventuell verrauchten Tunnel sowohl mit eingeschlossenen Personen, als auch mit den Einsatzkräften Kontakt gehalten werden kann. Im Zusammenspiel mit den Spezial-Lautsprechern können die ASFINAG-Mitarbeiter in der Überwachungszentrale oder Einsatzleiter von Polizei, Rettung und Feuerwehr mit Personen oder Einsatzkräften im Tunnel kommunizieren. „Das System AKUT ist ein weiterer Schritt für uns zu noch mehr Sicherheit in den Tunnelanlagen“, sagt ASFINAG-Geschäftsführer Rainer Kienreich. „Besonders toll ist es natürlich, wenn wir gemeinsam mit österreichischen Forschungseinrichtungen wie Joanneum Research so innovative Systeme in Österreich entwickeln können und wir damit weltweit Vorreiter sind.“
„Neben den maschinellen Augen – den Kameras – bekommt der Tunnel der Zukunft nun also auch maschinelle Ohren in Form von Mikrophonen und Computern“, erklärt Heinz Mayer, Leiter des Joanneum-Research-Instituts DIGITAL. „So ist es möglich unter schwierigen Umweltbedingungen kritische Ereignisse im Tunnel in einer Reaktionszeit von unter einer Sekunde zu detektieren. Nur durch die Innovationskraft der Joanneum Research und die zukunftsweisende Sicht der ASFINAG war es möglich diese Weltneuheit zu entwickeln. Toll dass wir in einem Land leben, in dem Sicherheit und Innovation diesen Stellenwert hat.“
„Der steinige Weg von der ersten Idee eines akustischen Tunnelmonitorings über den Staatspreis für Verkehrstelematik 2006 bis hin zur ersten operativen Installation ist vollendet“, ist AKUT-Projektleiter Franz Graf von Joanneum Research erfreut. „Innovationen waren nicht nur im Sensor-Bereich, sondern vor allem in den Algorithmen notwendig. Damit ist das System in der Lage, gutartige, akustische Signale wie Rollgeräusche von kritischen Ereignissen, wie einem Aufprall, in der notwendigen Robustheit zu unterscheiden. Mit der Rahmenbeauftragung der AKUT-Installationen erhalten wir jetzt die Möglichkeit unsere Vorreiterrolle auf dem Gebiet des akustischen Tunnelmonitorings noch weiter auszubauen.“
ASFINAG rüstet die großen Tunnelanlagen nach
Die ASFINAG wird jetzt Schritt für Schritt weitere Tunnel mit dieser Innovation ausrüsten. Basis dafür ist ein Rahmenvertrag mit Joanneum Research, durch den die Ausrüstung von vorerst 32 Tunnelanlagen festgelegt wurde. Die Investitionssumme der ASFINAG dafür beträgt knapp 16 Millionen Euro.
Im Zuge von Neubauten oder Generalsanierungen wird „AKUT“ bereits im Tunnel Bosruck, bei der Nordumfahrung Klagenfurt (Ehrentalerberg, Falkenberg, Lendorf, Trettnig) sowie in den neuen Tunnelanlagen auf der S 10 Mühlviertler Schnellstraße eingebaut. Bis 2019 folgen weitere 23 Tunnel, darunter die großen Arlberg, Gleinalm und Karawankentunnel. Der Rahmenvertrag mit Joanneum Research sieht auch eine optionale Ausweitung ab 2020 vor. Weitere 25 Tunnelanlagen können dann ebenfalls mit „AKUT“ ausgestattet werden.
ASFINAG als Know-How-Träger in Sachen Tunnelsicherheit
Die ASFINAG betreibt auf dem österreichischen Autobahnnetz 149 Tunnel, teilweise mit Längen über zehn Kilometer. Seit Beginn der Tunnelsicherheits-Offensive 2001 wurden mehr als vier Milliarden Euro in die Erhöhung der Tunnelsicherheit investiert, bis 2019 sind es weitere 1,5 Milliarden Euro, vor allem durch den Bau zweiter Tunnelröhren (Bosruck, Gleinalm, Tunnelkette Klaus). Zusätzlich stellt die technische Ausstattung der Tunnel einen besonderen Schwerpunkt dar. Und auch vor Tunnelanlagen kommt mittlerweile Spezial-Know-How zum Einsatz, etwa beim Karawankentunnel. Im Mai 2012 wurde dort ein Thermoportal installiert. Alle Schwerfahrzeuge über 7,5 Tonnen werden automatisch durch dieses Portal geleitet, von fünf Scannern und zwei Infrarotkameras gescannt und im Falle einer Überhitzung (Motor, Bremsen, Turbolader, Reifen) zum Abkühlen ausgeleitet. Die Gesamtkosten betrugen 1,3 Millionen Euro.
Ziel der ASFINAG ist es als Know-How-Träger und Vorreiter in Europa das Thema Tunnelsicherheit ständig weiterzuentwickeln.